Wir freuen uns, dass Wicker von Menschen umsorgt wird, die ihn lieben und als Familienmitglied aufgenommen haben.
Alles Gute und vor allem Gesundheit wünschen wir auf dem gemeinsamen Weg!

Nie wollte ich einen Hund haben, der Jäckchen, Mäntelchen und Schleifchen braucht. In meinem Kopfkino tauchen dann Hunde bestimmter Rassen und vor allem von bestimmter Größe auf, die mit dem Leben auf einem Kirchhof auf dem Land überfordert wären. Gute Schäferhundgröße hatte mein verstorbener Hund, für den ich dann im Alter einen Mantel angeschafft habe, als sein Rücken warmgehalten werden musste. Mehr aber auch nicht – wozu hat Hund schließlich ein Fell? Nach seinem Tod hatte ich mir überlegt, den Mantel weiterzugeben. Wie gut, dass ich es nicht getan habe. Wicker hat unabweisbar gute mittlere Größe und braucht trotzdem Pullover und Jacke. Nicht nur, dass immer noch (und vermutlich noch lange) großflächig pelzlose Stellen zu finden sind, er hat auch keine Unterwolle. Und er ist in Deutschland gelandet, genauer gesagt: In Norddeutschland. Und Herbst und Winter kommen und sind schon jetzt spürbar.

Wenn wir abends rausgehen, „schont“ Wicker seit ein paar Tagen seine Hinterläufe und steht nur auf einem Bein, um das andere nicht so kalt werden zu lassen. Und er macht sehr deutlich, dass die Abendspaziergänge gern kurz ausfallen dürfen,  denn ihm ist KALT!  Der Mantel tut seinen Dienst, aber er reicht nicht. Und auch tagsüber könnte es gern ein bisschen wärmer sein. Und dann ist da ja noch die Tatsache, dass seine Haut immer mal wieder aufplatzt und er sich munter an solchen Stellen herumleckt oder sich scheuert. Um seinen Haaren irgendwann eine Chance zu geben, wäre es gut, wenn ebendiese Stellen einfach mal zur Ruhe kommen und abheilen könnten. Kurz und gut: Wicker braucht Pullover und Jacke (Schleifchen nicht: da, wo es hingehört, sind im Moment keine Haare, und außerdem… siehe oben). Also begebe ich mich ins Internet und suche nach Hundepullovern (und denke mir: was tue ich hier eigentlich…), vermesse den Hund und mache mir Gedanken darüber, was Wicker braucht. Denn das habe ich begriffen: es gibt noch andere Gründe als die menschlicher Modelust, Hunden einen Pullover anzuziehen.

Zweckmäßig muss es sein und warm, und es sollte Wicker möglichst hindern, an den strapazierten Stellen herumzulecken. Ich suche also und staune, was es alles so gibt an Hundebekleidung. Mir selbst ist Mode nicht so wichtig. Ich muss mich drin bewegen können, es muss robust sein und zweckmäßig, das ist die Hauptsache. Und dann erwische ich mich selbst dabei, dass mir Farbe und Muster von Wickers Pullover nicht egal ist. Einiges sortiere ich deswegen gleich aus. Rot und weinrot werden bei seiner Fellfarbe unmöglich aussehen, über dunkelbraun und schwarz können wir reden, blau und dunkelgrün wären am besten. Und während ich das Bestellformular aufrufe, stelle ich fest, dass blau und grün zwar theoretisch zu haben sind, aber jetzt gerade nicht. Also bestelle ich schwarz und rot und lache im gleichen Moment über mich selbst. Soviel zu „Mode ist egal“: aber nicht für Wicker…

Das war im Herbst 2021. Und dann brauchte es, bis wir belastbar wussten, wo wir mit Wickers Kranksein standen, dann stockte der Medikamentennachschub, und die Beschaffung zog sich aus unterschiedlichen Gründen bis zum Jahresanfang 2022 hin. Von wegen vereintes Europa! Manchesmal habe ich mir in den Wochen die Haare gerauft, weil wir so machtlos waren. Währenddessen verlor Wicker erst spürbar an Lebensfreude und Lebensenergie und dann an Haaren, und es ging ihm immer schlechter. „Aufgeben gilt nicht“, haben wir gesagt, aber befürchtet haben wir zum Jahreswechsel etwas ganz anderes…

Als dann endlich der Medikamentennachschub eintraf und die Beschaffung sichergestellt war und ich begriffen hatte, in welchen Zeiträumen ich in dieser Angelegenheit vorauszudenken hatte, da war Wicker fast ganz unten. Aber noch am Leben. Und er hat wohl gespürt, dass wir ihm helfen wollten.  Wie knapp das Ganze war, darüber mag ich lieber nicht nachdenken. Wir haben ihn erst über Wochen stabilisiert. Nebenbei kehrte sein Appetit zurück, so dass es leichter wurde, zu füttern und die Medikamente zu verabreichen.  Zweimal pro Woche war Baden angesagt : Das einzig Gute daran war für Wicker, dass er danach allein auf dem Sofa im Wohnzimmer in ein großes Badelaken gehüllt schlafen durfte. Dann wuchs über lange Wochen die Lebensenergie spürbar. Die Wunden in seiner Haut begannen abzuheilen und wurden immer weniger, und endlich, endlich fingen auch die Haare wieder an zu wachsen. Gerade sieht er noch ein bisschen aus wie selbstgestrickt – die Felldecke ist längst noch nicht geschlossen. Aber es tut sich was: Das Brustfell sieht schon aus wie neu, und auf dem Rücken gibt es auch schon einen größeren Bereich, der wie ein richtiger Pelz aussieht. Und das Ziel ist, dass Wicker in den nächsten Winter mit einem eigenen wärmenden Pelz geht und Mäntel und Jacken nur noch zum Rausgehen braucht.

Noch benötigt Wicker alle seine Medikamente – auch die, die aus dem Ausland besorgt werden müssen. Aber der Tierarzt ist zuversichtlich, in einigen Wochen über ein Ende der aggressiven Medikamententherapie nachdenken zu können. Schon viele Hunde habe er gesehen, sagte er mal irgendwann nebenbei, die so schlimm aussahen wie Wicker. Aber noch keinen, der es überlebt hat.

Inzwischen ist Wicker meistens bester Dinge. Wenn es Futter gibt, rennt er mir vor Ungeduld eine Spurrille in meinen Küchenboden. Wenn ich die Leinen in die Hand nehme, peitscht er mit seinem Schwanz vor Begeisterung alles, was im Weg steht, und bellt laut, damit es endlich losgeht (sonst bellt er eigentlich nie…). Den Schwanz trägt er meistens unternehmungslustig über den Rücken geschwungen. Auf dem Hundeplatz wird er anderen Rüden gegenüber auch schon mal dominant, und den Tierarzt – der wirklich noch nie eklig zu ihm war – knurrt er seit neuestem an. Und wenn draußen die Sonne scheint, dann rollt er sich im Garten in der Sonne zusammen, faltet dabei häufig seine Vorderpfoten überkreuz und döst. Und während er so vor sich hinträumt, zucken seine Pfoten, und er seufzt, jault und quietscht .

Ziemlich genau ein Jahr lebt er jetzt bei uns. Davon haben wir die meiste Zeit darum gekämpft, dass Wicker am Leben bleibt und wir die Leishmaniose in den Griff kriegen. Kann er nach einer solchen Zeit noch gehen? Nein, kann er nicht. Wicker wird bei uns bleiben. Jede Woche, jeder Monat im vergangenen Jahr war für ihn ein Geschenk, wenn auch zeitweilig von höchst unterschiedlicher Lebensqualität. Und Anubis und ich sind uns einig geworden, dieses Geschenk werden wir nicht aufs Spiel setzen.

Gritta Koetzold
29.8.2022


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